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WIE ES EUCH GEFÄLLT

Sein oder Design? AUDIO

hat die Antwort parat.

Von Bernd Beisenkötter

Die beste Box ist immer die, die am besten klingt. " Wenn es nur so einfach wäre. Zwar läßt sich diesem markigen Lehrsatz der High Fidelity einige Berechtigung  nicht absprechen, doch wem nützt ein perfekt klingender Schallwandler vom Format eines Kleiderschranks in einer lauschigen Dachkammer? Und wer kann sich schon mit einem betulich gestylten Wohlklang-Quader neben der eichenen Stollenwand anfreunden?

Damit ästhetische und klang liche Vorstellungen nicht länger kollidieren, fischte AUDIO aus einem übervollen Boxenpool zehn interessante Vertreter unterschiedlicher' Lautsprechergattungen heraus: vier Sub- woofer/Satelliten-Kombis, die auf getrennten Pfaden musizieren und überall unterkommen vier Miniboxen; ,die trotz be scheidener Ausmaße großen Klang versprechen, sowie zwei Design-Lautsprecher, an denen nicht nur Augenmenschen ihre Freude haben können.


Test: Zwei Design-Boxen für 2800 Mark und 5900 Mark

REINE FORMSACHE

Boxen, die gut klingen, sollen auch so aussehen

Die Testteilnehmer (von links): Ecotherm ECO BR 063 S (2800 Mark); Active Stone Avalanche S 17 (5900 Mark).

Wenn eine Sparte der weitgefächerten HiFi-Branche Titel Nummer eins verdient  hätte, dann ist es die der Boxenbauerzunft. Und zwar in Sachen Langeweile. Hartnäkkig halten die Kasten-Denker an konservativen Ästhetikvorstellungen fest und finden immer wieder wohlmeinende Argumente für ihre schlichten Quader.


Kein Wunder also, wenn auch HiFi-Tester dankbar sind für jederart Abwechslung. Zwei Hersteller, in etablierten Kreisen freilich weniger bekannt, wagten jetzt den Schritt nach vorn: Der finnische Speckstein-Produzent Active Stone mit seiner Avalanche S 17 für knapp 6000 Mark (inklusive Ständer) und der Dortmunder Keramik-Spezialist Ecotherm mit der ECOBR 063 S für 2800 Mark einschließlich Stativ.

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Während die Finnen vorrangig auf ein schwingungsarmes Gehäuse aus dem marmorverwandten Speckstein vertrauen und eine echte Design-Revolution nun doch nicht anzetteln wollten, setzen sich die Westfalen über alle Konventionen hinweg: Die 063 besteht aus gebranntem Ton mit eingebrannter Design-Glasur und entzieht sich jedem geometrischen Formverständnis.

Der Gehäuseentwickler des schrägen Ottos, Thomas Kerstiens, Diplomingenieur für Stahlbau, steht hauptberuflich einem Fachbetrieb für Kamin und Keramiköfen vor. Befragt zum gewagten Outfit seines Babys, grinst er verschmitzt: "Ein endgültiger Name ist uns auch noch nicht eingefallen. Wir nennen die 063 darum einfach Gurke."

Etwas mehr steckt freilich doch dahinter: Die durchweg 20 Millimeter starken Gehäusewände stehen sich bis auf die Schall- und Rückwand nicht parallel gegenüber - ein Garant für weniger klangverfälschende stehende Wellen im Bauch der immerhin 25 Kilogramm schweren Box. Weiter soll die poröse Struktur des gebrannten Tons unerwünschte Gehäuseresonanzen nochmals unterdrücken.
Für die akustische Abstimmung bedämpfte Kerstiens die Seiten- und Rückwände seiner Baßreflex-Keramikgurke komplett mit Noppenschaumplatten sowie hinter den Baßchassis mit lose gezupfter Dämmwolle.Auf die Schallwand der 063 verschraubten die Dortmunder zwei 10 Zentimeter große SeasTieftöner und eine 19-Millimeter-Polypropylen-Hochtonkalotte vom selben Hersteller. Das Baßduo spielt bis 150 Hertz parallel, dann klinkt sich einer aus. Das Pendent musiziert als Tiefmitteltöner noch bis 3750 Hertz weiter und gibt dann endgültig an den Hochtonkollegen ab.


Soweit zur Technik. Damit auch die Optik stimmt, bietet Ecotherm fünf Standardglasuren: blauweiß, granit, weißbunt, naturton und pink. Darüber hinaus werden Kundenwünsche ohne Aufpreis individuell berücksichtigt.

Solche Vielfalt kann der finnische Boxenhersteller Active Stone nicht offerieren. Die Nordländer beschränken sich auf eine klarlacklackierte Naturspeckstein-Version. So präsentiert sich die S l7 in schlichter Eleganz, die vom schlanken, specksteinernen Boxenständer noch untermauert wird.
Im Innern der 25 Kilogramr schweren Baßreflexbox schwingt ein PolypropylenTieftonchassis von Dynaudio mit 13 Zentimetern Durchmesser. Den Hochtonpart übernimmt ab 4200 Hertz ein 25er Dynaudio-Kalottenhochtöner - allerdings von ganz besonderer Art.
In der Mitte der Montageplatte steckt ein 20 Millimeter langes, trichterförmiges Kunststoffrohr mit fünf Zentimetern
Durchmesser. An dessen Ende, also um zwei Zentimeter hinter die Schallwand zurückversetzt, erblickt die Kalotte das Licht der Welt. Sinn dieser Degradierung: Durch die hornähnliche Form des Rohrs vergrößert sich physikalisch- und vor allem masselos - die Fläche der Membran. Der Wirkungsgrad des Hochtöners klettert nach oben.

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Neugierig geworden auf die Klangqualitäten dieser zwei Design-Boxen, schleppten die AUDIO-Redakteure ihre schwergewichtigen Schmuckstücke in den Hörraum.

Im Titel Show Some Emotion präsentierte die Avalanche die seidig-volle Stimme der farbigen Sängerin Joan Armatrading mit fast schon zu schmeichelndem Timbre, schenkte ihr dafür aber ausreichend Kraft. Baßläufe präsentierte sie tief und stramm; verbreitete jedoch einen feinen Schleier in höheren Lagen. So tönten beispielsweise die Tom-Toms von' Schlagzeugen etwas flau und schlapp.

Die Ecotherm gab sich zwar einen Hauch kühler, wirkte damit aber insgesamt natürlicher. Zudem ließ sie sämtliche Schlagzeugfelle straff gespannt und verdaute selbst hektische Bass-Drum-Kicks noch eine Spur lässiger als die Kollegen aus dem hohen Norden.

Mit klassischen Werken, beispielsweise Mahlers Zweiter Symphonie, präsentierte die Avalanche weitgehend wohltarierte Klangbilder. Nur mit den unteren Mitten meinte sie es viel zu gut. Zudem bildete sie Soloinstrumente oder Gesangsstimmen wie durch ein Vergrößerungsglas ab. Zierliche Violinen bekamen die Ausmaße von massigen Kontrabässen und Xylophone die von Kirchenglocken.

Der 063 waren solche Übertreibungen fern. Sie blieb auch mit Klassikmaterial dichter an der akustischen Wahrheit. Im Weihnachtsoratorium von Bach ließ sie Violinen seidig streichen und den MonteverdiChor kräftig anstimmen. Ein Tick mehr Detailauflösung in den höchsten Sphären hätte der Dortmunderin allerdings gutgetan. Subtilste Feinheiten, wie das Einschwingen einer Klaviersaite oder die feinen Besenstriche auf der Hi-hat im Titel Take Five von der CD Jazz at the Pawnshop, gingen darum mit der Westfälin bisweilen unter wie der einzelne Tropfen im tosenden Wasserfall.

Und dennoch: Für 2800 Mark, aber nicht nur darum, ist die Dortmunder EcothermGurke sicherlich die bessere Wahl. Sie bietet lebendige und überwiegend ausgewogene Klangbilder sowie ein-zugegeben erst mal gewöhnungsbedürftiges - Design. Die finnische Avalanche dagegen war in beiden Disziplinen nicht so gut in Form.

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Die Avalanche zählt als reine Acht-Ohm-Box zwar nicht zu den fleißigen Stromkunden des Verstärkers, hat aber dafür um so mehr Bedarf an Betriebsspannung: Neun Volt registrierte der Laborrechner bei 90 dB Schalldruck in einem Meter Abstand. Resultat: AUDIO-Kennzahl 73. Daß Designboxen auch mit weniger zufrieden sein können, beweist die Ecotherm: Ihr genügen schon 5,4 Volt, was ihr zusammen mit ihrer unkritischen Impedanz die AK 56 einbringt.

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